Logische Fehlschlüsse zu analysieren dient in erster Linie der Erkennung von Missbräuchen, die häufigsten 5 seien hier benannt (Beschreibung unter ‘Logica‘):
– Theoriewechsel führt zur Wahrheit (Attraktion der Alternative)
– Eskalation bzw. ein Mittelwechsel bringt Erfolg
– In-sich-an-sich-Fehlschluss (Umkehrung der Erfordernis der Widerspruchsfreiheit)
– Annahme der schärfsten möglichen Aussage
– Verwechslung von Gegenteil mit dem Gegenpol
Solche Fehlschlüsse werden in der Praxis gerne eingebettet in allerlei Geschwafel und Selbstverständlichkeiten oder auch unter logisch einwandfreie, richtige Überlegungen gemischt. Dabei sind sich die Anwender nicht immer bewusst, dass sie einen logischen Fehlschluss vertreten, viele sind sogar regelrecht überzeugt von ihrer Sache. Oder sie schliessen daraus, dass ihre Theorie, die Erklärungen liefert, von denen sie ohnehin überzeugt sind, dass die Logik stimmen muss oder zumindest, falls etwas nicht ganz logisch sein sollte, leicht ‘‘repariert‘‘ werden kann. Die Empfänger der Botschaft erkennen den Fehlschluss eher selten.
Die Folgerung von Eskalation/Mittelwechsel ist in der Politik sehr beliebt. ‘Es hat nicht gereicht, wir müssen mehr/etwas anderes tun‘, heisst es dann. Am schärfsten tritt das bei Umsturzgefahr zu Tage, und zwar sowohl bei den Revolutionären wie auch bei ihren Gegnern. Beide folgern gerne, wenn wir ohne Gewalt einen Umsturz nicht herbeiführen/verhindern können, dann müssen wir Gewalt anwenden, oder auch mehr Gewalt, wenn weniger nicht reicht. Ob dann das tatsächlich näher zum Ziel führt, oder eventuell vom Ziel weg, wird gar nicht untersucht, abgesehen vom Kollateralschaden, der auch noch einzukalkulieren wäre.
Missbrauch beim Gegenteil-Gegenpol hat sogar eine eigene Bezeichnung: Schwarz-weiss-Malerei. Als Beispiel jemand der erklärt: ‘‘Ehrliche Bürger sind nicht kriminell, sie tragen die Gesellschaft. Verbrecher schaden der Gesellschaft, deshalb sind alle Strafen zu verdoppeln. Ehrliche Bürger sind keine Verbrecher und deshalb davon überhaupt nicht direkt betroffen.‘‘ Damit blendet er aus, dass es Übertretungen gibt, etwa im Strassenverkehr, oder Ordnungswidrigkeiten in der Benutzung von öffentlichen Anlagen, Pärken, Wäldern usw., dazu fahrlässige Unaufmerksamkeit in Umweltdingen usw., alles strafbar.
Verschwörungstheoretiker aller Schattierungen kombinieren gerne die Attraktion der Alternative (Theoriewechsel) mit der Umkehrung der Erfordernis der Widerspruchsfreiheit (in-sich-an-sich-stimmen-Fehlschluss): Sie betonen zuerst, was mit offiziellem, anerkanntem Wissen nicht erklärt werden kann, bauen dann ein Gedankengebäude auf, das in-sich (einigermassen) stimmt, und wollen dann das als Beleg anerkannt haben, dass die Theorie auch an sich stimmt. Zudem suchen sie akribisch nach Widersprüchen im offiziell anerkannten Wissen, nützen dabei aus, dass es ausserhalb der Mathematik und Logik keine absoluten Beweise gibt, und verwenden jedes Zipfelchen Zweifel, um einen Widerspruch zu behaupten, der dann nach diesmal richtiger Anwendung der Logik das ganze Wissen als falsch brandmarken soll. (Ihre eigenen Theorien würden allerdings einer so genauen Inspektion noch viel weniger standhalten.) Auch Schwarz-Weiss-Malerei kommt vor, indem viele Möglichkeiten ausgeblendet werden; man springt direkt vom angeblich falschen offiziellen Wissen zu einem Gegenpol.
Die Annahme der schärfst-möglichen Aussage kann zB folgendermassen ausgenützt werden: Ein Bauunternehmer, der gerne Aufträge hat, sagt dem um Rat zu seiner Fassade fragenden Hauseigentümer, ‘‘1 Jahr können Sie mit der Erneuerung des Verputzes noch zuwarten‘‘. Der Hauseigentümer ergänzt automatisch ‘aber nicht länger‘, obwohl der Verputz vielleicht noch mehrere Jahre genügend gewesen wäre.
Auch die Religionen leben von der Attraktion der Alternative (Theoriewechsel), weil vielen eine rein materialistische Weltanschauung zuwider ist oder unvollständig erscheint. Die Umkehrung der Widerspruchsfreiheit (in-sich-an-sich-stimmen-Fehlschluss) wird auch manchmal eingesetzt; das ist insofern bemerkenswert, weil die Religionen selber kaum je widerspruchsfrei sind. Früher bei den Glaubensverfolgungen gab es auch viel Schwarz-Weiss-Malerei, das ist inzwischen, zumindest im Westen, aus der Mode gekommen.
29.01.2021